Stille werden und vertrauen

Ganz unten angekommen ist er, von dem ich heute lese. Ein Mann, ein Familienvater, ja eine ganze Familie – selbst das Volk. Ganz unten angekommen - am Boden zerstört. All das, was zu ihm gehörte, ihn stolz gemacht hatte, gab es nicht mehr. „Ach, wenn ich doch einen Wunsch frei hätte. Wenn ich mir doch wünschen könnte, es wäre alles wieder gut. Wenn ich mir doch wünschen könnte, mich geborgen fühlen zu können, Frieden haben zu können, glücklich sein zu können, zu Hause sein zu können. Ich wünsche mir diesen Raum der Geborgenheit!“
Sehnsüchtig geht der Blick zurück. Aber vom Blick auf die Vergangenheit kann er nicht leben. Selbst die großartigen Erlebnisse vergangener Tage helfen nicht weiter. Auch nicht der Blick auf die eigene Stärke. Es hat ihm zwar Bewunderung der Menschen eingebracht, schenkt ihm aber jetzt keine Wärme mehr. Er beginnt zu frieren.

Sehnsuchtsvoll geht der Blick zurück des Menschen, in dessen Lebensgeschichte sich die Erfahrungen vieler nach ihm wiederspiegeln: Daniel, ein Mann aus dem Alten Testament der Bibel. „Ach wenn ich doch einen Wunsch frei hätte….“ Wem gegenüber möchte er den Wunsch äußern? Dem Leben, dem Schicksal, irgendeiner übersinnlichen Macht? Macht es Sinn, Wünsche zu äußern? Bleiben die Worte und Gedanken nicht einfach im Raum schweben und damit ohne Kraft und Wirkung? Verhallen sie ihm luftleeren Raum?
Freunde raten: „Sprich doch mit Gott. Richte deine Wünsche doch an Gott. Rede mit ihm und erkläre ihm, wie es Dir geht. Erzähle ihm, was Du alles bisher an Gutem geleistet hast und auf was Du stolz sein kannst. Und mach Gott doch deutlich, wie sehr Du es doch verdient hast, Glück und Geborgenheit zu erfahren. Du hast es doch bisher gut gemacht und gut gemeint im Leben.“
Und so steht der Mensch da, trägt mit Blick auf sein gut geführtes vergangenes Leben seine Bitten Gott vor und erwartet die Wende in seinem Leben. Doch nichts geschieht.
Hat er nicht überdeutlich gemacht, wie wichtig die Rettung für ihn ist? Hat er nicht deutlich gemacht, wie wichtig er überhaupt ist – für andere und damit für Gott?
Eine lange Zeit der Unsicherheit und des Suchens und Fragens beginnt für diesen Menschen, den wir Daniel nennen. Davon lesen wir in seinem Buch im Kapitel 9. So auf die Schnelle und mit Verweis auf die Dringlichkeit und Verdienste aus dem eigenen Leben beginnt keine Erneuerung, keine Wende im Leben.
„Wir liegen vor Dir, Gott, mit unserem Gebet und vertrauen nicht auf unsere Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit“, heißt es im Wort für die kommende Woche.

„Wir liegen vor Dir….“, was ist das für eine Körperhaltung. Kein Orden an der Brust ist mehr erkennbar, kein Stolz mehr zu spüren. Demütig und kleinlaut weint sich einer aus, der aus eigener Kraft und eigener Leistung nicht mehr weiter kann. „Wir liegen…..“, vielleicht auch mit dem Gefühl: „Es nutzt nichts, jetzt krampfhaft etwas erreichen zu wollen. Es nutzt nichts, mich hektisch zu bewegen und Unruhe zu schaffen. Ich ruhe und entspanne, entkrampfe mich und beginne zu vertrauen.“ Dem Daniel wächst in dieser Lage, in dieser Offenheit Kraft und Lebenswillen zu. Es währt seine Zeit. Das offene und ehrliche Gebet hat ihm geholfen.  „Gott ist barmherzig und hält seine Hand über mir.“ (MH)