Zwölf Wünsche für das neue Jahr

Die erste Minute des neuen Jahres wird in Spanien mit einem bemerkenswerten Ritus begangen: Bei jedem der 12 Glockenschläge an Mitternacht essen die Spanier eine Weinbeere und dürfen sich dabei still bei jedem einzelnen Biss etwas wünschen – nach dem strengen alten Brauch für jeden Monat des neuen Jahres einen.

So werde ich neugierig gemacht auf einen Silvesterbrauch, den ich noch nicht kenne. Zwölf Weintrauben in einer bestimmten Zeit zu essen und sich dabei etwas wünschen: Ist das nicht ähnlich, wie wenn ich zu den Sternen schaue und beim Anblick einer Sternschnuppe einen Wunsch vor mich hinhauche? Gute Vorsätze und Hoffnungen für das neue Jahr habe nicht nur ich. Viele nehmen sich für das neue Jahr etwas vor. Der eine möchte mit dem Rauchen aufhören – eine andere setzt sich Ziele und hofft auf eine positive Wendung in der Lebensgeschichte.

Der Legende nach gehen die Wünsche nur dann in Erfüllung, wenn ich es schaffe, die 12 Trauben auch tatsächlich in dem kurzen Zeitraum von 12 Stundenschlägen (das heißt praktisch in 12 Sekunden) zu essen. Clever ist dabei der, der kleine Trauben oder gar Rosinen dazu nimmt.

Ganz abgesehen davon, ob das zu schaffen ist, in so kurzer Zeit diese Aufgabe zu lösen, scheint mir etwas anderes dabei interessanter zu sein. Es ist die Tatsache, dass ich mir 12 Wünsche oder Ziele für das nächste Jahr vornehmen und einprägen muss. Für jeden Monat ein bestimmtes Ziel oder einen Wunsch.

Um zu mitternächtlicher Stunde diese dann auch parat zu haben ist es notwendig sich darauf vorzubereiten. Am besten geht das, wenn ich mir diese Wünsche aufschreibe oder sogar aufmale (auf kleine Zettel oder womöglich sogar hier auf den Zeitungsrand). Je farbiger und lebendiger diese Bilder oder Wörter sind, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Wünsche in Erfüllung gehen. Dann prägen sie sich für das kommende Jahr besser ein und beschäftigen mich noch lange, länger als die erste Woche.

Das könnte eine interessante Beschäftigung für den heutigen Abend werden.

Die guten Worte oder Bilder können dann, ganz wie es spanischer Brauch ist, zu mitternächtlicher Stunde mit Trauben oder Rosinen in Verbindung gebracht werden. Diese guten Worte oder Wünsche können aber auch mit einem Gebet vor Gott gebracht werden.

Wichtig ist es Ziele und Hoffnung für einen jeden einzelnen Monat des nächsten Jahres zu haben.

Zweifel und nachprüfbare Berechnungen und Diskussionen um Ziele und Wünsche haben da erst einmal keinen Platz. Und diese sollten in einer größeren Runde am Tisch auch nicht zur Sprache kommen. Jeder einzelne Wunsch muss unwidersprochen im Raum stehen bleiben und hat seine Berechtigung.

Die Bibel erzählt von Menschen, die Ziele und Wünsche vor Augen hatten. Im ersten Buch Mose gibt es den Abraham, dem mit Blick auf den Sternenhimmel verheißen wird, eine Vielzahl von Nachkommen zu haben, ja im neuen Land Fuß zu fassen. Die Bibel erzählt später auch von Mose selbst, der einer Verheißung folgte das Volk in die Freiheit zu führen. Sie erzählt von Josua, dem großartige Ziele vor Augen gemalt wurden, und dem dann gesagt wird: „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ Und so folgen Abraham, Sarah, Mose und Josua den Zielen, die aus ihren Augen betrachtet weit weit hergeholt schienen.