Mit dem Sorge abwerfen in Übung bleiben

Das neue Schuljahr hat begonnen. Die erste Aufregung hat sich gelegt, und die Kinder sind an das frühe Aufstehen gewöhnt. Alles scheint sich wieder auf einen bestimmten Ablauf einzupegeln. Den Schulleitungen verlangte der neue Stundenplan einige logistische Fähigkeiten ab. Denn es kommen im Vergleich zum Vorjahr Unterrichtsstunden hinzu. Manche denken: „Da sollen sie eben an den Fächern sparen. Sport könnte gekürzt werden." Andererseits wissen wir, wie wichtig es für Schüler ist, sich zu bewegen und die körperlichen Fähigkeiten zu entwickeln. „Immer schön in der Übung bleiben!" - Ich erinnere mich an meine Schulzeit. Um die Leistung im Fach Sport zu verbessern, setzte ich mit Freunden viel Zeit daran, um zu Hause bestimmte Disziplinen zu üben. Hochsprung oder Speerwerfen zum Beispiel. Das machte nicht nur Freude und vertrieb uns die Langeweile, das führte auch dazu, dass bestimmte Techniken erlernt wurden und ich im Unterricht sicherer war. Die Übung hat es getan.

Mit „Werfen" hat auch das Bibelwort zu tun, dass uns für die nächste Woche mit auf den Weg gegeben ist: „Alle eure Sorge werft auf Christus; denn er sorgt für euch." (1. Petrusbrief 5,7) Das scheint nun ja wohl etwas schwieriger zu sein, als einen Ball oder Speer zu werfen. Selbst, wenn ich nicht die Kraft habe, einen Ball ganz weit zu werfen, so gelingt es mir doch wenigstens ein Stück weit. Aber ist es mit der Sorge genauso?

Ich soll die Sorge wegwerfen, und dabei habe ich sie gar nicht in der Hand. Sie hat mich umgarnt, mit vielen Stricken gefesselt. Werfen kann ich sie erst, wenn ich sie abgestreift habe, wenn ich sie handhaben kann, zu einem Knäuel gebündelt habe, wenn ich mich befreit habe.

Die Ereignisse der letzen Wochen belegen das: Ich kann nicht so einfach raus aus meinem Netz der Ängste und Sorgen. Selbst wenn ich mich schon wieder mit anderen Dingen beschäftigen muss, so holen mich Kummer oder Sorge wieder ein. Einigen von uns fiel es in der vergangenen Woche schwer, an Festen und Feiern teilzunehmen. Denn Trauer und Sorge sind groß. Ja sogar ein Erntedankfestgottesdienst in unserer Region wurde abgesagt. Aber geht das: Gottesdienste absagen, weil die Sorge so groß ist? Wäre das nicht die beste Gelegenheit, um den Umgang mit Kummer und Schmerz zu üben? Ein Schüler kann auch nicht sagen: „Das Speerwerfen ist mir zu schwer, ich lasse es sein, bis ich wieder mehr Kräfte habe." Die Übung ist notwendig.

„Alle eure Sorge werft auf Christus; denn er sorgt für euch." Das ist leicht gesagt und doch schwer getan. Ich allein schaffe es nicht, mich aus dem Netz zu befreien. Alle eure Sorge werft auf ihn: Das ist eine Aufforderung, uns darin zu üben. Dieses „Werfen" sieht dann aber anders aus, als im Sport. Loswerden der Sorge heißt, die Sorge zu formulieren, allein oder mit Hilfe eines Freundes. Auch das muss geübt werden. Den richtigen Moment und dann die rechten Worte zu finden. Denn es ist gar nicht so leicht, den Kern der Sorge zu benennen. „Was ist es, was mein Herz zusammenpresst, was mir die Luft abdrückt, warum ich anderen gegenüber manchmal so freudlos, so bitter wirke?" Die Sorge ist bisweilen ein dicker Packen Ratlosigkeit, Lebensüberdruss oder tiefe Müdigkeit. Mit Hilfe eines Gesprächspartners kann es gelingen, freier davon zu werden. Ich kann die Sorge auch zu einem Gebet formulieren. Die Andachten in den Kirchen dieser Tage legen ein Zeugnis davon ab, wie wichtig ein laut formuliertes Gebet für viele ist. Dadurch entlassen wir die Sorge aus unserem Herzen und vertrauen uns einem Herrn an, der für uns sorgt. Dann können wir mit freien Händen das Fällige tun, mit freien Schultern das Nötige tragen, mit freier Kraft die nächsten Entscheidungen treffen, als freie Menschen die Verantwortung übernehmen.

Es stimmt, dass die Sorge nachwächst. Es ist darum wichtig, mit dem Sorgeabwerfen in der Übung zu bleiben und auch die Erfahrung der Fürsorge Gottes oder anderer Menschen zu machen. Nach und nach werden wir geübter und sicherer in der Unterscheidung, wofür wir selber Sorge tragen müssen und wo wir in Fürsorge getragen werden.