Verantwortung abgeben

„Toll, wie Du das hinbekommen hast!“. Ich werde gelobt. Meine Arbeit hat sich gelohnt. Jemand ist überrascht und erfreut, wie gut mir etwas gelungen ist. So könnte es weitergehen. Aber, es geht auch anders: „War ja nicht anders zu erwarten!“ Meistens steckt kein Lob über selbstverständliches gutes Handeln dahinter. Eher spöttisch und abfällig klingt es in meinen Ohren: „Immer dieselben Fehler, immer wieder unfähig das Richtige zu tun.“
Ich erfahre Bewertung meines Tuns und bewerte selbst das Handeln anderer.
„Hätte ich es doch lieber selbst gemacht. Es bringt nichts, sich auf dich zu verlassen. Wenn ich es selber getan hätte, dann wäre es richtig geworden.“ Ich bin wütend oder enttäuscht, weil ich mich auf einen anderen verlassen habe. Die Aufgabe, die ich ihm zugetraut habe, hat er dann aber nicht so ausgeführt hat, wie ich es mir vorgestellt habe.  Es hätte besser werden können. „Hätte ich es lieber selbst gemacht…“, vielleicht habe ich meine Erwartungen nicht deutlich genug ausgesprochen oder eine unklare Anweisung gegeben?

„Hätte ich es lieber selbst gemacht….“, zeigt mir auch: Ich habe einen Hang zur Perfektion.  Das gewünschte Ziel muss genau so erreicht werden, wie ich es will und soll keinen Deut davon abweichen.

Was aus solchen Erlebnissen und Gedankengängen folgt, ist leicht vorstellbar: In Zukunft überlasse ich die Aufgaben seltener einem Anderen. Das führt dann dazu, dass er weniger die Chance bekommt von mir zu lernen. Und ich selbst gerate an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit, weil ich nicht bereit bin Aufgaben abzugeben.

Der morgige Sonntag wird der „Tag des guten Hirten“ genannt. Damit ist Jesus von Nazareth gemeint. Er scheint der perfekte Hirte zu sein und sagte von sich „Ich bin der gute Hirte, ganz im Gegensatz zu den anderen, denen es nicht von Herzen um die Herde, die Menschen geht.“
Von Jesus wird erzählt, dass er bereit war, Aufgaben abzugeben und zu delegieren. „Weide meine Schafe“, sagte er zu Petrus, „weide meine Lämmer!“ Ausgerechnet zu Petrus, der von Schafzucht wenig Ahnung hatte, weil er von Beruf Fischer war. Ausgerechnet Petrus wird mit dem „Weiden der Schafe“ beauftragt. Wir wissen: „Schafe“ und „Hirt“ sind ein Bild für Menschen der Gemeinde und des Volkes im Vergleich zu den leitenden Persönlichkeiten.

Der perfekte gute Hirte traut beim Weggang einem anderen gute Arbeit zu und übergibt die ihm anvertrauten Menschen.
Weggehen und begonnene Arbeit einem anderen überlassen geschieht immer wieder einmal in unserem Leben. Weggehen und eine aufgebaute Gemeinschaft der Leitung eines anderen überlassen ist immer wieder einmal nötig. Wenn ich meinen Arbeitsplatz wechsle, eine Schulklasse abgeben soll oder in den Ruhestand gehe. Der Abschied fällt schwer und die bange Frage stellt sich ein: „Was wird werden? Wird der Nachfolger es gut mit den ihm Anvertrauten meinen?“

Ich bin misstrauisch und will gute Zeugnisse des Nachfolgers sehen. „Einen guten Ruf sollte er haben, sonst wird das nichts.“ Von Petrus wird das ganze Gegenteil erzählt. Da gibt es keinen guten Ruf. Auffällig ist er geworden, durch großes Redenschwingen und dann kläglichem Versagen als es daran ging, Farbe zu bekennen und die Sache zum guten Ende zu führen.
Jesus fragt ihn: „Liebst Du mich?“ Und Petrus antwortet „Ja“. Dreimal geht dieses Fragen und Antworten hin und her. Petrus wird nicht auf seine Fehlern behaftet, sondern nach seiner Beziehung und Bindungsfähigkeit gefragt. Das gehört zu dem „guten Hirten“ dazu, dass er „seine Schafe“ liebt und sie nicht nur des Geldes oder Ruhmes wegen hütet.
Perfektion drückt sich in Liebe aus? Jesus vertraut dem Petrus und überträgt ihm die Verantwortung für die „Herde“.

Der Sonntag des guten Hirten stellt uns die Frage: „Wie meinst Du es mit den Dir anvertrauten Menschen, der Dir anvertrauten Aufgabe? Wie meinst Du es mit Deiner Arbeit in Beruf, im Familienleben und im Verein? Ist es ganz Deine Sache? Bist Du mit Liebe und ganzem Herzen dabei? Wir möchten Dir vertrauen und Großes zutrauen!“
Aus Liebe heraus ist es gut einmal übernommene Verantwortung wahrzunehmen aber auch abzugeben, wenn es an der Zeit ist – abzugeben an andere und ihnen Liebe und Verantwortungsgefühl zuzutrauen.
„Toll, wie Du das hinbekommen hast“, höre ich bei gelungener Arbeit und am Ende, wenn ich mein Werk vertrauensvoll in andere Hände gelegt habe. 

 

(M.Heimann, MAZ Jüterboger Echo 17.4.2010)